Tubbiemania

18.30 Uhr. Tausende Kinder sitzen vor den Ferneshaparaten, um sich eine lehrreiche Sendung in dem eigens für sie eingerichteten Sender anzuschauen. Gespannt warten warten sie darauf, dass die hell strahlende und glückliche Kindervisage, die nur so vor Frohsinn strotzt, an einem übernatürlich blaue Himmel über einem noch unnatürlicherem grünen, sommerlichen Tal, aufgeht. Kaninchen hüpfen auf dem wonneweichen Kunstrasen über den Bildschirm und knabbern an den Plastikblumen. Das Kindergesicht, das sich als Sonne entpuppt, lacht hell und quiekend auf. Sein Blick fällt auf einen Hügel. Dieser, so stellt sich bald heraus, das tubbietronische Superiglu darstellt. Und plötzlich öffnet sich die Tür dieser Behausung und vier kleine Wesen einer nicht zu identifizierenden Art wackeln, das Hinterteil schwingend, in das grelle Tageslicht. Kurz darauf ertönt eine einfach gestrickte, kindliche Melodie, und die kleinen Kelchen beginnen ihre skurrilen, rundlichen Körper mit dem viel zu großen Köpfen an denen sich die üderdemensionalen Ohren befinden, im Rhythmus. Die Beliebtheit dieser knuddeligen Tierchen kennt keine Grenzen, denn die heutige Windelgeneration springt von ihrem Platz vor den Fernsehapparaten auf und beteiligt sich wild an dem Rumgehopse. Ein Pluspunkt vorweg: Sportliche Betätigung.
Die Wesen sind in ihren roten, gelben, blauen und grünen Anzügen auf süß getrimmt und wirken mit ihren runden, unproportionalen Körpern äußerst unbeholfen. Nachdem der Tanz zu Ende gebracht ist, eröffnen die bunten Kerlchen dem Zuschauer die Welt der deutschen Grammatik und der Aussprache, wie es sich für eine Kindersendung gehört, die unseren Kleinen etwas vermitteln soll. Jedoch das laut heraus gerufene Vokabular, bestehend aus „a-oh“, „oh-oh“ und „winke-winke“ (die Schreibweise ist noch nicht festgelegt), läßt erst einmal darauf schließen, dass es sich hier um eine hochkomplizierte Fremdsprache handelt. Im weiteren Verlauf stellt sich jedoch heraus, dass dies keine, unerforschte Fremdsprache ist, sondern die unausgereifte Sprache, mit der Kleinkinder kommunizieren. Na, ob sich da mal die Kinder nicht verschaukelt vorkommen?
Plötzlich ertönt eine Männerstimme, und die kleinen Wesen wiederholen alles in ihrem kindliche Wortlaut. Dieser, so fällt immer mehr auf, findet sich bei Erstklässlern und zunehmend auch bei Hochschülern wieder. Geht es zurück zu den Anfängen?! Gibt es nach der neuen Rechtschreibreform noch eine Sprachreform?!!!
Im weiteren Verlauf der Sendung wird ein kleiner Film gezeigt, der auf einem Bildschirm erscheint, der kunstvoll in den Kugelbauch der Wesen implantiert wurde. Nach Beendigung dieser Einlage ertönt ein Freudenschrei und der Film wird ein zweites Mal abgespielt. Also eine Wiederholung für die etwas minderbemittelten Kinder.
Jedes der kleinen Kerlchen hat natürlich, wie es sich für Kinder gehört, ein Lieblingsspielzeug, das ein ständiger Wegbegleiter ist: Ein Hut in dem topaktuellen Kuhmuster, ein Ball, ein Roller und eine rote Lacktasche. Womit wir bei der Geschlechtsidentifikation angelangt wären. Aus weitreichenden Informationsquellen weiß man, dass es zwei weibliche und zwei männliche Wesen sind, die alle zusammen in einer Kommune leben. Der Besitzer der roten Lacktasche ist z.B. männlich. Bemerkenswert, wie gut versteckt die Macher dieser Sendung den Toleranzgedanken an die Kleinkinder heranführen und ihnen zeigen, dass sogar solch ein Wesen homosexuell sein kann. Am Ende der Sendung geht die immer noch hell strahlende Sonne unter und die kleinen Kerlche verabschieden sich noch mit einem kurzen „winke-winke“, bevor sie sich in ihren Hügel zurückziehen. Was dort dann geschieht wird wohl immer ein Rätsel bleiben, denn auch die zuverlässigsten Quellen können darüber keinerlei Auskünfte geben.
Wieder geht ein hochinformativer Tag in diesem wunderschönen Tal zu Ende und die Kleinkinder können nun schlafen gehen und von kleinen bunten Männchen träumen.
Ich schließe nun mit den Worten: „WINKE-WINKE“.

Nina S.